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Themenspezial: Mathematik und Statistik

„US-Jugendliche täglich 6,5 Stunden vor dem Bildschirm“. „Wärmster Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“. „Angstgegner Italien: für Deutsche unbesiegbar“ – hinter vielen Medienschlagzeilen stecken Statistiken.

Seit Jahrtausenden sammeln Menschen Daten und versuchen, Ereignisse in einen statistischen Kontext zu stellen, um sie besser zu verstehen oder zu organisieren – bereits die verwaltungsverliebten alten Ägypter führten Volkszählungen durch. Heute ist die Sammlung und Auswertung von Daten aus kaum einem Lebensbereich wegzudenken: Ob Regenwahrscheinlichkeit, PISA-Ranking oder Lottozahlen – Wahrscheinlichkeiten und Statistiken beeinflussen unsere Entscheidungen und ordnen unsere Welt.

Deshalb gewinnt die Kompetenz „Statistical Literacy“ immer mehr an Bedeutung, auch in der Schule: In allen Schulformen und Klassenstufen soll der Mathematikunterricht dazu beitragen, dass die Lernenden nicht nur Wahrscheinlichkeiten berechnen und Diagramme erstellen können, sondern darüber hinaus die Zusammenhänge hinter den Daten verstehen. So sieht es die Leitidee „Daten und Zufall“ der Kultusministerkonferenz vor, eins von fünf zentralen Themenfeldern im Mathematikunterricht.
Besonders motivierend lässt sich das Thema im Unterricht bearbeiten, wenn die Schülerinnen und Schüler neben Würfelexperimenten und Baumdiagrammen mit Daten arbeiten, die aus ihrer eigenen Lebenswelt stammen. Und davon gibt es zahlreiche viele. Einige möchten wir Ihnen im aktuellen Lehrerspezial vorstellen.


Das Butterbrot-Problem: Mythos oder Wahrheit?

Wann immer ein Butterbrot auf die gebutterte Seite fällt, erinnert sich irgendjemand an Murphys Gesetz: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Eigentlich ist diese Formulierung nur eine verkürzte Version dessen, was der US-amerikanische Ingenieur Edward A. Murphy meinte, als er 1949 nach einem missglückten Raketenschlittentest der US-Luftwaffe laut darüber nachdachte, ob es so etwas wie vorprogrammiertes Misslingen gibt.

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Unterrichtsanregung

Testen Sie Murphys Gesetz mit Ihren Schülerinnen und Schülern. Vorab können Sie Schätzungen einholen: Wer glaubt, dass die gebutterte Seite häufiger unten landet, wer nicht? Welche Faktoren könnten einen Einfluss auf das Ergebnis haben? Wie viele Versuche sind nötig, bis das Ergebnis aussagekräftig ist? Wenn Sie den Boden vor dem Experiment mit einer sauberen Unterlage abdecken, können Sie nach dem „Tumbling Toast Test“ bei einer ausgiebigen Brotzeit die Ergebnisse mit der Klasse diskutieren.

Eigene Umfragen spannend und schülernah gestalten
Wenn Schülerinnen und Schüler in die Forscherrolle schlüpfen und ihre eigene Lebenswelt erkunden dürfen, ist die Begeisterung meistens groß. Einfache Umfragen in der Klasse lassen sich bereits in niedrigen Jahrgangsstufen durchführen und auswerten. Soll die Datenbasis größer sein, können Schülerinnen und Schüler auch andere Klassen befragen.

Je stärker die Jugendlichen am Ergebnis ihrer Umfrage interessiert sind, desto motivierter arbeiten sie mit. Deshalb sollten sie bei der Wahl des Umfragethemas und bei der Entwicklung der Fragen eigene Wünsche äußern dürfen. Je nach Altersstufe kann es dabei zum Beispiel um Freizeitaktivitäten, die Höhe des Taschengeldes, Zeit am Computer oder den Hausaufgabenaufwand gehen.

Ehe sie beginnen, sollten die Schülerinnen und Schüler lernen zu entscheiden,

  • welche Antwortmöglichkeiten es gibt (z.B. ja/nein, Bewertung auf mehrstufiger Skala, Auswahl mehrerer Antwortoptionen, offene Fragen).
  • wie sie die Antworten erfassen möchten. Bei ganz einfachen Umfragen reichen Strichlisten. Sobald es komplexer wird, sollten die Schülerinnen und Schüler zunächst einen Fragebogen entwickeln.
  • ob sie auch „soziodemografische“ Daten erheben möchten: Angaben zu Alter, Geschlecht oder Klassenstufe erlauben zusätzliche Auswertungsmöglichkeiten.

Ist die Umfrage abgeschlossen, geht es an die Auswertung. Per Tabellenkalkulation lassen sich die Daten zusammenfassen und in Diagrammen aufbereiten. Dabei ist Ausprobieren gefragt! Die Schülerinnen und Schüler sollten versuchen, folgende Fragen für sich zu beantworten:
  • Welche Diagrammtypen eignen sich?
  • Welche Skalierung ist sinnvoll?
  • Wie verändert sich mit der Art der Darstellung die Aussage des Diagramms?

Am Ende des Umfrageprojekts steht die Präsentation der Ergebnisse. Nun können die Lernenden zeigen, wie sie
mit ihren Ergebnissen umgehen. Nicht jedes Ergebnis ist gleichermaßen interessant. Welche halten sie
für besonders wichtig? Wo stecken Überraschungen? Was für Schlüsse können sie aus den Ergebnissen ableiten?

Tipp:
Neben klassischen Präsentationen bieten sich auch selbst geschriebene Zeitungsartikel an, in denen sie einzelne
Ergebnisse kommentieren. Hat die ganze Klasse das gleiche Thema bearbeitet, lassen sich die Ergebnisse auch
in Form eines Readers zusammenfassen und in der Schule veröffentlichen.

Inspirationen von den Profis

Das Internet ist eine Fundgrube für Umfragen. Im Mathematikunterricht können sie als Anregungen für eigene Untersuchungen dienen. Oder Sie können die Umfrageergebnisse innerhalb der Klasse denen großer Studien gegenüberstellen.

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Ein Jahr voller Statistiken: Langzeitprojekte im Unterricht

Nicht immer ergibt sich im Unterricht die Zeit für umfassende Projekte wie eigene Umfragen. Eine Alternative, um den Umgang mit Statistiken zu kontinuierlich zu üben, sind Langzeitprojekte, die über mehrere Monate laufen und jede Woche nur einige Minuten Unterrichtszeit einnehmen. Der Grundgedanke: Jede Woche beschäftigt sich eine Schülerin oder ein Schüler mit einer ähnlichen Fragestellung und analysiert sie vor der Klasse. Am Ende des Projekts ziehen die Lernenden gemeinsam Fazit.


Unterrichtsanregung

Anregungen für Langzeitprojekte

Wetterportale vergleichen:
Jede Woche ist eine Schülerin oder ein Schüler dafür zuständig, die Voraussagen von zwei vorher festgelegten Online-Wetterportalen zu überprüfen, zum Beispiel immer um 8 Uhr morgens oder zu Beginn der Mathematikstunde. In einer Tabelle tragen die Schülerinnen und Schüler die beiden vorausgesagten und die tatsächliche Temperatur und die Niederschlagsintensität ein (benötigt: Ein Außenthermometer im Klassenraum, ggf. ein Niederschlagsmesser auf dem Schulgelände). Nach Ablauf jeder Woche fassen die verantwortlichen Schüler kurz zu Beginn einer Mathematikstunde die Entwicklung während der Woche zusammen. Nachdem alle Schülerinnen und Schüler an der Reihe waren, werten sie gemeinsam aus: Wie häufig und wie genau treffen die Vorhersagen zu? Gibt es Unterschiede zwischen den Wetterportalen?

Kurzreferat Lieblingsstatistik:
Zu praktisch jedem Thema gibt es Statistiken. Der Reihe nach stellt jede Woche eine Schülerin
oder ein Schüler eine Statistik zu einem Thema vor, das sie oder ihn besonders interessiert.
Leitfragen dafür könnten sein:

  • Woher stammen die Daten?
  • Wie wurden sie erhoben?
  • Wie groß war die Stichprobe?
  • Hältst du die Statistik für aussagekräftig?
  • Was sagt sie deiner Meinung nach aus?
  • Findest du das bemerkenswert?

Heimvorteil-Check:
Angeblich erzielen Sportmannschaften bessere Ergebnisse, wenn sie zu Hause spielen. Die Schülerinnen und Schüler überprüfen diese Annahme, indem sie jede Woche die Bundesliga-Ergebnisse untersuchen. Je zwei Schülerinnen oder Schüler sind für einen Verein „zuständig“ und notieren wöchentlich die Ergebnisse und den Spielort. Am Ende der Fußballsaison wertet die Klasse die Ergebnisse gemeinsam aus. Trifft es zu, dass Vereine zu Hause besser spielen? Gibt es Vereine, die stärker vom Heimvorteil profitieren als andere?

Mit Statistiken lügen

„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, raten misstrauische Zeitgenossen gelegentlich. Tatsächlich lassen sich mit Statistiken auf verschiedene Weise Aussagen suggerieren, die zumindest bezweifelt werden dürfen. Zum Beispiel ist die Stichprobe nicht immer repräsentativ, etwa weil nur bestimmte oder zu wenige Personen einbezogen wurden. Oder die Diagramme vermitteln einen falschen Eindruck.

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Unterrichtsanregung

Verzerren Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern gezielt die Darstellung von Statistiken. In Gruppenarbeit bereiten die Lernenden Daten gezielt so auf, dass sie einen bestimmten Standpunkt untermauern. Oder die Schülerinnen und Schüler treten gegeneinander an. Dann arbeiten jeweils zwei Gruppen dieselben Daten, aber mit dem Ziel, unterschiedliche Standpunkte damit zu stützen. Zur Vorbereitung sollten die Jugendlichen selbst ausprobieren, welche Effekte die verschiedenen Veränderungen an Diagrammen hervorrufen:

  • Wie verändert sich die optische Wirkung, wenn die Abstände auf X- und Y-Achse enger oder weiter werden?
  • Welcher Eindruck entsteht, wenn sich X- und Y-Achse nicht im Nullpunkt schneiden, sondern andere Achsenabschnitte gewählt werden?
  • Wie könnten Piktogramme die „Botschaft“ unterstützen?
  • Welchen Unterschied macht es, ob absolute Zahlen oder Anteile dargestellt werden? (z.B. im Vergleich der folgenden Diagramme: Schulabgänger nach Abschlüssen im Schuljahr 2013/14 – stimmt die These, dass es in Hamburg besonders viele Schulabgänger mit Abitur gibt?)

Beispiele und weitere Anregungen zum Thema „mit Statistiken lügen“:
http://www.kepler-gymnasium.de/index/unterricht/mathematik/abi12gk//p_data/m11_7-2-luegen_mit_statistik-praesent.pdf
http://btmdx1.mat.uni-bayreuth.de/smart/sinus/j05/diagramme/diagramme.pdf

Wo ist der Zusammenhang?

Sind Brillenträger klüger? Macht Fernsehen dick? Schützt Bildung vor Krankheit? Das Bedürfnis, Zusammenhänge herzustellen, scheint tief im Menschen verankert zu sein. Wer wissen will,
ob Dinge zusammenhängen, erhält mit der Stochastik die nötigen Hilfsmittel. Aber Obacht: Nicht alles, was zusammenhängt, lässt Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung zu!

In der Sekundarstufe 2 können sich die Schülerinnen und Schüler diese Erkenntnis selbst erarbeiten, indem sie einfache empirische Untersuchungen durchführen und Korrelationen und Regressionen für selbst erhobene Daten berechnen und interpretieren.

Tipps

  • Die Basis, um eigene Untersuchungen anzustellen, liefern quantifizierbare Erfahrungen aus dem Alltag der Lernenden: Taschengeldhöhe, Stunden Sport in der Woche, zu Fuß zurückgelegte Strecke pro Tag, Lernaufwand, Sportergebnisse, Anzahl der Geschwister ... Was fällt den Schülerinnen und Schülern noch ein?
  • Ein spielerischer Ansatz hilft, die Methode der kleinsten Quadrate zu verstehen: Wie könnte die lineare Regression im Koordinatensystem verlaufen? Wie verändert sich die Summe der Fehlerquadrate, wenn man Steigung oder Abszisse verändert?
  • Welche Voraussagen lassen sich aus den Regressionen ableiten? Lassen sie sich empirisch überprüfen?
  • Auch die Theoriebildung bekommt Raum: Wie kommt es, dass zwei bestimmte Variablen zusammenhängen? Könnte der Zusammenhang auf Ursache und Wirkung hindeuten?

Anregungen für Statistik in Alltagsfragen

  • Unter dem Titel „Achtung Statistik“ bloggen zwei Statistiker in einer wöchentlichen Kolumne über aktuelle Statistiken und den Umgang damit.
  • Auch Produkttests benötigen statistische Berechnungen. Inspiration und Ansporn für solche Tests liefert die Website des Wettbewerbs „Jugend testet“ der Stiftung Warentest
  • Materialien und Hintergründe zur Leitidee „Daten und Zufall“ haben die Mathematikdidaktiker Andreas Eichler und Markus Vogel zusammengestellt

Datenquellen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen

Frischen Wind in den Stochastikunterricht bringt auch die Open-Data-Bewegung: Seit etwa einem Jahrzehnt mehren sich Stimmen in der Gesellschaft, die im Sinne der Transparenz offen verfügbare Daten fordern. Deshalb bieten zum Beispiel die Statistikämter von Bund und Ländern eine Fülle an Datentabellen zum Download an – etwa Wahlergebnisse, Einwohnererhebungen oder Bildungsstatistiken. Auch internationale Organisationen und Statistikbehörden stellen immer häufiger Rohdaten zur Verfügung – nie war es so einfach wie heute, im Unterricht „echte“ Daten einzubeziehen.

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