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Mathematik und Design: die schönste Seite des Rechnens

Schnittige Autos, außergewöhnliche Gebäude, Möbel mit Hinguck-Effekt: Designer gelten als kreative Köpfe, die sich vor allem der Ästhetik verschrieben haben.

Aber damit ihre Design-Entwürfe nicht nur schick, sondern auch nützlich sind, fließen jede Menge Berechnungen in die Werke ein. Im Mathematikunterricht lohnt sich ein Ausflug in die Designwelt gleich doppelt: weil der Alltagsbezug groß ist und um künstlerisch interessierte Schülerinnen und Schüler ins Boot zu holen.

Origamics: Geometrie zum Falten

Gerade die Geometrie bietet viele Anlässe, um über Design nachzudenken. Und umgekehrt können geometrische Inhalte, die auch Produkte „fürs Auge“ hervorbringen, ein tieferes Verständnis für mathematische Zusammenhänge erleichtern. Zu den beliebtesten geometrischen Designerstücken aus Kinderhand gehören Origami-Basteleien. Auch in der Sekundarstufe lädt die japanische Kunst des Papierfaltens zum Nachdenken über Mathematik ein. Und vor allem bringt sie ein haptisches Erlebnis mit, gewissermaßen Mathematik zum Anfassen. Die Kombination aus Origami und Mathematik hat sogar einen eigenen Namen: Origamics.

So bietet etwa ein quadratisches Blatt Papier viele Anlässe für geometrische Knobeleien. Wie lässt sich daraus zum Beispiel auf möglichst einfache Weise ein gleichseitiges Dreieck falten? Oder ein größtmögliches? Welche Formen erwarten die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Blatt, wenn sie es wieder auseinanderfalten? Tolle Origami-Aufgaben für die Sekundarstufen 1 und 2 hat der österreichische Mathematiklehrer und Origami-Fan Robert Geretschlaeger hier zusammengestellt .

Escher-Parkettierungen selbst entwerfen

Zu den Künstlern, in deren Werken viel Mathematik steckt, gehört definitiv M.C. Escher (1898-1972). Der niederländische Grafiker ist heute vor allem für seine Darstellungen unmöglicher Figuren bekannt, darunter zum Beispiel das Penrose-Dreieck. Im Mathematikunterricht sind vor allem die „Escher-Parkettierungen“ nützlich: Sie regen die Kreativität der Schülerinnen und Schüler an und bringen zugleich Einsichten zum Thema „Kongruenzabbildungen“. Die Grundidee eines Escher-Parketts: Jeder Parkettstein ist eine kongruente Abbildung des anderen, die Steine fügen sich lückenlos ineinander. Gelingt es den Schülerinnen und Schülern, nur durch Drehung, Spiegelung oder Verschiebung einer Form ein lückenloses Parkett zu entwerfen? Schöne Vorschläge für die Einbettung von Escher-Parkettierungen in den Unterricht bietet zum Beispiel die Universität Bayreuth im Rahmen des Modellversuchs Sinus-Transfer.

Gaudí: das Runde ersetzt das Eckige

Selbst Menschen, die sich nicht für Architektur interessieren, ist vermutlich der katalanische Architekt Antoni Gaudí (1852-1926) ein Begriff. Das bekannteste Gebäude des genial-extravaganten Baukünstlers ist die bis heute unvollendete Basilika Sagrada Familia in Barcelona. Zu den Markenzeichen Gaudís gehören unter anderem Rundungen, wo andere Gebäude auf gerade Linien setzen. So finden sich zum Beispiel auf den Kopf gestellte Kettenlinien in zahlreichen Entwürfen. Als Funktion lässt sich der Verlauf einer zwischen zwei Punkten aufgehängten Kette als Cosinus hyperbolicus (cosh) beschreiben. Die einfache Konstruktion einer Kettenlinie – nur ein Seil und zwei Halterungen sind nötig – lädt zum experimentellen Nachbau und allerlei mathematischen Überlegungen in der Sekundarstufe 2. Wer noch tiefer einsteigen möchte, kann sich mit der Klasse selbst an einer Herleitung der Funktion versuchen.

Mathematik gut verpackt

Wieso sind Verpackungen häufiger eckig als rund? Und worauf kommt es beim Verpacken sonst noch an? Die Vielfalt an Kartons, Dosen und Schachteln, denen die Schülerinnen und Schüler im Alltag begegnen, lädt ein zu einer motivierenden Einheit „Angewandte Geometrie“. Können die Schülerinnen und Schüler in Gruppenarbeit zum Beispiel je eine kegelförmige, eine zylindrische und eine quaderförmige Verpackung gestalten, die genau einen Liter fasst? Und wie sehen die Entwürfe der Lernenden aus, um möglichst originell ein Kilogramm Reis zu verpacken? Selbstredend zählt dabei nicht nur das Endprodukt, sondern auch die präzise Zeichnung und Berechnung des Modells. Viele weitere Unterrichtsideen bietet außerdem dieses Material des Cornelsen-Verlags an .

Gegen den Strom lernen

Beim Radfahren hat vermutlicher jeder schon praktische Erfahrungen mit Luftwiderstand gemacht: Aufgerichtet kommen Radfahrer schlechter voran als vorgebeugt, und bei Gegenwind müssen wir stärker in die Pedale treten. Wie viel stärker wir treten müssen, lässt sich berechnen. Und auch bei Autos spielt natürlich die Aerodynamik eine wichtige Rolle. Umfassendes MINT-Unterrichtsmaterial zum Thema Design und Aerodynamik hat die Daimler AG zusammen mit dem Klett-Verlag für die Klassen 8 bis 10 am Gymnasium zusammengestellt.

Auch sonst stecken im Autodesign viele MINT-Bezüge. Physikalisch seien Autos sogar komplexer als Flugzeuge, erzählt Lutz Fügener im Interview mit Lehrerspezial. Fügener ist Professor im Studiengang „Transportation Design“ der Hochschule Pforzheim. Zum Beispiel im Design von Scheinwerfern muss jeder Gestaltungsentwurf zahlreichen Berechnung standhalten. Und solide Kenntnisse der Kurvendiskussion sind nötig, um Rundungen am Auto so zu gestalten, dass am Ende auch die Lichtreflektionen auf dem Lack gut aussehen.