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Berufstipp: Game Design

Autorennen, Storygame, Puzzle – wer gern digital spielt, kann aus einer großen Auswahl an Spielen wählen. Und wer noch tiefer einsteigen will, kann selbst Spiele entwickeln und damit Geld verdienen. Welche unterschiedlichen Berufsfelder und Aufgaben zur Spieleentwicklung gehören, was man dafür mitbringen sollte und wie viel Mathematik in der Entwicklung von Spielen steckt, erzählt die Game Designerin Johanna Janiszewski im Interview.

Mit ihrem Unternehmen Tiny Crocodile Studios entwickelt Janiszewski seit 2016 nicht nur reine Unterhaltungsspiele, sondern auch so genannte Serious Games, die auch noch einen Lerneffekt haben.

So kann man etwa im Computerspiel „Theodor“ – einer Auftragsarbeit für ein Neuruppiner Museum – dem Schriftsteller Theodor Fontane dabei helfen, sein Gedächtnis wiederzufinden. In dem Smartphone-Spiel „Monkey Swag“ können sich Jugendliche auf Schatzsuche begeben und fast nebenbei noch etwas über Geometrie lernen. Für die gelungene Verbindung von Spaß und Lernen wurde das Spiel 2018 sogar mit dem Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie „Bestes Kinderspiel“ ausgezeichnet.

Interview

„In einigen Bereichen braucht man sehr komplexe Mathematik, in anderen weniger.“


Unter der bunten Oberfläche solcher Spiele steckt viel Arbeit und manche logisch-mathematische Überlegung – 11.000 Menschen sind in Deutschland in der Spieleindustrie beschäftigt. Johanna Janiszewski gibt einen Einblick in die vielfältigen Aufgaben.

Lehrerspezial: Frau Janiszewski, wie sind Sie in die Spielebranche gekommen?
Johanna Janiszewski: Ich habe mir schon immer Spiele ausgedacht, am Anfang vor allem Brett- oder Bewegungsspiele, die ich dann mit meinen Freunden oder Geschwistern gespielt habe. Mit 14 Jahren habe ich in der Schule Programmieren gelernt und mir die ersten digitalen Spielereien ausgedacht. Vier Jahre später habe ich angefangen, als Hobby ein größeres Spiel zu entwickeln, gleichzeitig habe ich ein Studium der Landschaftsarchitektur begonnen, also etwas ganz anderes. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich mit dem Hobby viel mehr Zeit verbringe als mit dem Studium. Und als ich in einer Zeitschrift für Game-Entwicklung las, dass ein Unternehmen in Berlin eine Junior Game Designerin suchte, habe ich mich beworben. Ein Studium brauchte ich damals nicht. Das war 2008, da kamen die Studiengänge zu Game Design gerade erst auf. Ich hatte als Quereinsteigerin also gute Chancen und habe den Job tatsächlich bekommen. Mein Studium habe ich dafür abgebrochen. Nach acht Jahren als Angestellte habe ich 2016 mein eigenes Studio gegründet.
Welche Ausbildungswege gibt es, wenn man Spiele entwickeln möchte?
Zum einen gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Game-Design-Studiengängen. Alternativ kann man an verschiedenen privaten Schulen eine dreijährige Ausbildung durchlaufen, dafür ist kein Abitur nötig. Darüber hinaus gibt es verwandte Studienfächer, zum Beispiel Medieninformatik. Auch mit einem klassischen Informatikstudium ist man gut aufgestellt. Wenn man eher gestalterisch interessiert ist, sind auch Medien- oder Kommunikationsdesign möglich. Es kommt immer darauf an, in welcher Richtung man sich spezialisieren will. 2D oder 3D, realistische Grafik oder eher Comic-Stil, Shooter oder geschichtenlastiges Storyspiel – wichtig ist, dass man sich etwas sucht, was zu einem passt.
Ist man mit einem Studienabschluss in Game Design so spezialisiert, dass man nur in der Branche arbeiten kann, oder gibt es auch andere mögliche Einsatzfelder, in denen die Fähigkeiten gefragt sind?
Der Wechsel in andere Einsatzfelder ist möglich und durchaus üblich. In der Wirtschaftskrise 2010 mussten zum Beispiel einige Studios schließen. Daraufhin haben Leute die Branche gewechselt und sind in der VR-Entwicklung für Fahrzeughersteller oder Architekturbüros untergekommen, andere in traditionellen Softwareunternehmen. Es läuft aber auch andersherum – erst lernt jemand in einem anderen Bereich zu programmieren und wechselt dann in die Spieleentwicklung.
Welche Aufgabengebiete treffen zusammen, damit aus einer guten Idee ein Spiel wird?
Storytelling gehört natürlich dazu, man muss sich eine Spielmechanik ausdenken – das ist der Bereich Game Design. Dazu kommen Grafik und Programmierung, und natürlich Musik und Sound. Außerdem braucht es Personen, die die Spiele testen.
Wie gut müssen alle die Arbeit der anderen verstehen?
Es ist hilfreich, wenn alle zumindest wissen, wie die anderen Abteilungen arbeiten, und es am besten auch selbst einmal ausprobiert haben. Wenn die Grafik zum Beispiel weiß, wie die Programmierung funktioniert, kann sie ein 3D-Modell technisch so aufbereiten, dass die Programmierung es gut einbauen kann.
Welche Fähigkeiten sollte man für einen Job im Game Design mitbringen?
Wichtig finde ich, dass Bewerber*innen schon einmal etwas selbst entwickelt haben. Das muss kein fertiges Spiel sein, aber ich möchte sehen, womit sie schon gearbeitet haben. Außerdem ist mir wichtig, dass jemand gut kommunizieren und im Team arbeiten kann. Denn die Teamarbeit ist tatsächlich sehr wichtig, damit alles reibungslos funktioniert. In Bewerbungsgesprächen versuche ich außerdem herauszufinden, ob jemand in der Lage ist, ein Projekt abzuschließen, und nicht nur ewig an seinen Lieblingsfeatures herumschraubt.
Wie wichtig ist Mathematik im Game Design?
Das kommt darauf an, in welchem Bereich man arbeitet. Beim Programmieren ist Mathematik natürlich sehr hilfreich. Ein Kollege von mir hat sich zum Beispiel sehr in die Frage vertieft, wie man ein Programm noch besser machen kann, so dass es zum Beispiel schneller läuft. Dabei hat er auch sehr komplexe Formeln entwickelt. Im Game Design stelle ich auch Formeln auf. Zum Beispiel bekommt man in vielen Spielen Punkte oder Geld. Häufig ist es so, dass man am Anfang wenig bekommt und später mehr. Das muss ich mir überlegen: Sollen die Punkte linear ansteigen oder beginnt die Kurve sehr flach und steigt später steil an? Dafür entwickle ich eine Formel, mit der das Programm später zum Beispiel berechnet, wie viele Punkte jemand erhält, der Level 7 erreicht hat.

In der Grafik ist unter anderem Vektorrechnung wichtig. Stellen Sie sich vor, sie steuern mit einem Controller eine Figur. Die Figur geht vorwärts, wenn Sie den Controller-Stick nach vorn drücken. Ist der Boden flach, ist das ganz einfach, aber wenn die Figur über einen unebenen Untergrund läuft, dann brauchen Sie Vektoren, um das technisch umzusetzen. Das sind nur zwei Beispiele, es gibt noch viel mehr. In einigen Bereichen braucht man sehr komplexe Mathematik, in anderen weniger. Und natürlich brauchen Sie allgemein logisches Denken, damit die Programmierung und der gesamte Spielverlauf stimmen. Sie müssen sich genau Gedanken darüber machen, welche Knöpfe zum Beispiel wann zu sehen sind und was passiert, wenn man etwa den falschen drückt. Dieses Vorausdenken braucht man in allen Bereichen.
Sie haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht. Spielen Sie trotzdem noch gern in Ihrer Freizeit?
Ja, auf jeden Fall! Je weiter die Projekte weg sind von dem, was ich gerade selbst entwickle, desto weniger denke ich dabei über meine Arbeit nach. Zum Beispiel arbeiten wir gerade an einem Fußballspiel und einem Point-and-Click-Adventure über Umweltaktivismus in der DDR. In meiner Freizeit spiele ich eher Survival- oder Aufbauspiele, in denen man zum Beispiel eine kleine Stadt baut – also etwas ganz anderes.
Sie stellen viele Serious Games im Auftrag von gemeinnützigen Organisationen oder Bildungseinrichtungen her. Glauben Sie, dass solche Spiele in Zukunft noch stärker verbreitet sein werden?
Das hoffe ich natürlich. Serious Games können einen sehr guten Einstieg in Themen anbieten. Wenn man wirklich viel lernen will, muss man sich immer hinterher noch hinsetzen und sich mit dem Thema weiter beschäftigen. Aber die Spiele sensibilisieren für ein Thema und stellen einen emotionalen Zugang her. Man muss ja erst einmal Lust bekommen, sich mit einem Thema zu beschäftigen. Als wir das Schatzsuche-Spiel Monkey Swag entwickelt haben, war es mir ein Anliegen, dass es wirklich ein Freizeitspiel wird und kein Material für den Geometrieunterricht. Wenn dann ein bisschen Geometrie hängenbleibt oder eine positive Einstellung, wenn vielleicht jemand in der Schule merkt: Diese Aufgabe kenne ich aus dem Spiel – dann hat man etwas Wichtiges erreicht.



Bildquelle: © Mario Janiszewski

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