Zahl zum Staunen

Zahl zum Staunen

1,0136
Reine Stimmungssache:
das Pythagoreische Komma

Unsere heutige Tonstruktur ist wohlgeordnet. Seit Ende des 18. Jahrhunderts entsprechen in der üblichen gleichstufigen Stimmung sieben Oktaven exakt zwölf Quinten. Für Musiker hat das viele Vorteile: Sie können zum Beispiel Musikstücke je nach Geschmack und Stimmlage der Sänger von einer Tonart in eine andere „transponieren“, ohne dass sich dadurch der Charakter des Musikstücks verändert. Allerdings zahlen wir auch einen Preis für das praktische gleichstufige System: Viele Töne klingen zusammen nicht so rein und harmonisch wie zur Zeit Pythagoras’. Der Grund dafür ist das Pythagoreische Komma. Es ist nach dem griechischen Pythagoreer Philolaos benannt, der als erster auf das Phänomen aufmerksam wurde.

Stellen Sie sich vor, Sie stimmen ein Klavier, indem Sie zunächst vom Grundton ausgehend, beispielsweise einem a1, sieben Oktaven nach oben stimmen. Sie stimmen also die Töne a2, a3, a4, a5, a6, a7 und a8. Anschließend nehmen Sie sich vom selben Grundton a1 ausgehend die Quinten vor und stimmen sie so rein wie möglich. Sie stimmen zwölf aufeinanderfolgende Quinten, bis sie zum ersten Mal wieder bei einem a ankommen: a1, e2, h2, fis3, cis4, gis4, dis5, ais5, f6, c7, g7, d8, a8. Da Sie allerdings reine Quinten gestimmt haben, liegt der letzte Ton in der „Quintenstimmung“ etwas höher als der letzte Ton der „Oktavstimmung“. Dieser Unterschied ist das Pythagoreische Komma. Die Rechnung dazu:

(3/2)12 : 27 = 312 / 219 ≈ 1,0136

Das Pythagoreische Komma beträgt nur etwa einen Achtelton. Trotzdem bereitete es Musikern jahrhundertelang Kopfzerbrechen: Wie ließen sich Instrumente so stimmen, dass die Intervalle rein und Musikstücke in jeder Tonart gut klangen? Die älteste Methode, das Komma auszugleichen, bestand darin, die zwölfte Quinte leicht zu verkürzen. Das führte aber zu Missklängen und brachte ihr den Namen „Wolfsquinte“ ein – weil sie derart schaurig „heulte“. Viele Jahrhunderte lang versuchten Musiktheoretiker, bessere Stimmungen zu entwickeln. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich die heute übliche Stimmung durch, in der eine Oktave aus zwölf gleich großen Halbtonschritten besteht und daher sieben Oktaven tatsächlich exakt zwölf Quinten entsprechen. Das Frequenzverhältnis der gleichstimmigen Quinte ist also nicht 3/2 , sondern (12√2)7.

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