Themenspezial

Am Sternenhimmel in klaren Nächten kann man sich kaum
sattsehen: Der Anblick der schier unendlichen Weite des
Weltalls geht unter die Haut. Mit einem Mal wirkt die
große Erde ganz klein, umringt von einem uns völlig
fremden Raum, den wir nur mit großen Anstrengungen
verstehen können. Seit vielen Jahrhunderten versuchen
Sternenforscher auf der ganzen Welt, die Geheimnisse
des Universums zu lüften. Ein wichtiges Hilfsmittel der
Astronomie ist die Mathematik.


„Das Buch der Natur ist in der Sprache der Mathematik
geschrieben“, stellte schon 1623 Galileo Galilei fest. Mit anderen
Worten: Die Mathematik erlaubt es, naturwissenschaftliche
Beobachtungen in Zahlen, Formeln und Modelle umzuwandeln,
Vorhersagen zu treffen und Experimente zu entwickeln. „Mithilfe
der Mathematik leiten Wissenschaftler Aussagen darüber ab, wie
es ‚da oben’ oder zum Beispiel auch im Inneren der Materie
aussehen könnte“, erklärt der Leiter der Sternwarte Recklinghau-
sen, Dr. Burkard Steinrücken. „Im Wechselspiel mit der Theorie können
sich Physiker Experimente überlegen, um diese Aussagen zu überprüfen.“ Die Faszination, die vom Weltall ausgeht,
lässt sich gut im Mathematikunterricht nutzen – zum Beispiel, indem die Schüler eigene Planetenbahnberech-
nungen vornehmen oder die riesigen Dimensionen im Universum auf „irdische“ Maßstäbe übertragen.

Astronomie und Astrologie


Viele Jahrhunderte lang gab es keine scharfe Trennung zwischen
der Beobachtung von Himmelsereignissen und ihrer Deutung für
das menschliche Schicksal – viele Kulturen glaubten im Lauf der
Planeten Hinweise auf die Zukunft ablesen zu können. Noch der
berühmte Astronom Johannes Kepler (1571-1630) erstellte
neben seinen Himmelsberechnungen auch Horoskope. Erst in
der Aufklärung wandelte sich der Wissenschaftsbegriff: Die
Astronomie befasst sich seither ausschließlich mit der natur-
wissenschaftlichen Beschreibung der Himmelskörper und
versucht, die Gesetzmäßigkeiten des Universums zu verstehen.
Das sagt auch der Begriff Astronomie aus: Er setzt sich aus
den griechischen Worten ástron (Stern) und nómos
(Gesetz) zusammen.

Gauß findet einen verlorenen Planeten wieder


In den folgenden Jahrhunderten war die Astronomie – mehr noch als heute – ein gutes Forschungsgebiet, um sich einen wissenschaftlichen Ruf zu erarbeiten. Es war damals nicht unüblich, in mehreren naturwissenschaftlichen Bereichen zugleich zu forschen. So berechnete beispielsweise der heute vor allem als Mathematiker bekannte Carl-Friedrich Gauß 1801 die Bahn des kurz zuvor entdeckten Zwergplaneten Ceres. 40 Tage nach dessen erster Sichtung hatten die Astronomen Ceres nämlich wieder aus den Augen verloren. Verschiedene Astronomen versuchten sich vergeblich an einer Bahnberechnung, um Ceres am Himmel wiederzufinden. Ihr Fehler: Sie gingen von einer kreisrunden Bahn aus. Gauß hingegen nahm eine elliptische Bahn an und entwickelte mit der „Methode der kleinsten Quadrate“ eine neue Möglichkeit, aus mehreren bekannten Positionen des Planeten eine Bahn zu errechnen. Mit Erfolg: Im Dezember 1801 konnten die Astronomen Ceres erneut am Himmel entdecken. Die Methode der kleinsten Quadrate findet in der Stochastik bis heute Anwendung.


Knapp 14 Milliarden Jahre ist es her, da ist etwas vollkommen Unvorstellbares geschehen: Buchstäblich aus dem Nichts

Vom Urknall zur Erde


Knapp 14 Milliarden Jahre ist es her, da ist etwas vollkommen Unvorstellbares geschehen: Buchstäblich aus dem Nichts ist unser Universum hervorgegangen: Raum, Zeit und Materie existieren erst seit diesem Augenblick – so beschreiben es jedenfalls die meisten astronomischen Theorien. Von diesem denkwürdigen Augenblick bis zum Universum, so wie wir es jetzt kennen, war es ein langer Weg. Zunächst wirbelten nur einige Elementarteilchen durch den entstehenden Raum. Die ersten Galaxien entstanden nach 300 Mio. Jahren. Erst nach rund 9 Milliarden Jahren entwickelte sich unser Sonnensystem. Weitere 4,7 Milliarden Jahre zog die Erde unbewohnt ihre Kreise um die Sonne, bis sich schließlich die Menschheit entwickelte. Nach den Maßstäben des Universums ist unsere Zeit auf der Erde allerdings knapp bemessen: In rund 7,5 Milliarden Jahren, wenn die Sonne ihren Wasserstoffvorrat verbraucht hat, bläht sie sich zum „Roten Riesen“ auf – das wird das Ende des Lebens auf der Erde sein. Etwa weitere drei Milliarden Jahre später schrumpft sie dann zu einem „weißen Zwergstern“ zusammen.
Projektvorschlag
Die immensen Zeiträume, die bei der Entstehung des Universums und der Erde eine Rolle spielen, sind schwer vorzustellen. Rechnen Sie mit Ihren Schülern die Geschichte des Universums doch einmal auf ... mehr
Die immensen Zeiträume, die bei der Entstehung des Universums und der Erde eine Rolle spielen, sind schwer vorzustellen. Rechnen Sie mit Ihren Schülern die Geschichte des Universums doch einmal auf einen kleineren Maßstab um. Wären eine Million Jahre nur eine Minute lang, wie viel Zeit wäre dann bis zur Entstehung der Galaxien oder bis zur Entstehung der Erde vergangen? Vielleicht können Ihre Schüler noch weitere „Meilensteine“ aus der Geschichte des Universums und der Erde recherchieren. Am Ende tragen sie alle Entwicklungsschritte auf einen Zeitstrahl ein. weniger

Wie entwickelt sich das Universum weiter?


Die Theorie des Urknalls allein kann nicht erklären, wie sich das Universum weiterentwickelt. Wissenschaftler beobachten anhand der Vermessung von Abständen zwischen entfernten Galaxien, dass sich das Universum nicht nur ausdehnt, sondern dass sich diese Ausdehnung sogar beschleunigt. Eine wichtige Messgröße zur Berechnung dieser Expansion ist die so genannte Hubble-Konstante H0. Sie geht auf den US-amerikanischen Astronomen Edwin Hubble zurück. Mit ihrer Hilfe lässt sich auch das Alter des Universums berechnen. Allerdings ist sie im eigentlichen Sinn keine Konstante, da sie sich mit der Zeit verändert. Deshalb sprechen Astronomen auch vom Hubble-Parameter. Um ihn zu bestimmen, werden regelmäßig Bilder von verschiedenen Weltraumteleskopen ausgewertet. Der Wert des Hubble-Parameters schwankt je nach Messmethode. Er liegt aber bei etwa .
(Mpc ist die Abkürzung für das astronomische Längenmaß Megaparsec.)

Ist die Erde der einzige bewohnte Planet im Universum?


Nicht so spekulativ wie die Theorie vom Urknall, aber nicht weniger spannend ist die Suche nach so genannten Exoplaneten. Diese Himmelskörper kreisen um andere Sonnen als unsere eigene, und da sie nicht wie Sterne leuchten, sind sie nur schwer zu entdecken. 1990 wurde der erste Exoplanet aufgespürt, heute sind gut 700 bekannt. Besonders interessant sind für die Wissenschaftler erdähnliche Planeten, auf denen sich wie bei uns Leben entwickelt haben könnte. „Die Chancen, dass sich noch anderswo im Universum Leben entwickelt hat, stehen sehr gut“, schätzt Sternwartenleiter Steinrücken. „Mindestens jeder zweite Stern hat ein Planetensystem – da wird es sicher auch welche geben, die den richtigen Abstand zur Sonne haben und auf denen es Wasser in flüssiger Form gibt.“ Ob sich unter solchen Bedingungen grundsätzlich Leben entwickelt, kann allerdings die moderne Wissenschaft nicht beantworten. „Wir kennen nur einen einzigen Planeten, auf dem das geschehen ist, nämlich unseren eigenen. Dieser eine Fall reicht nicht, um statistisch auf die Gesamtheit zu schließen. Vieles deutet aber darauf hin, dass wir im Universum gar nichts Besonderes sind.“ Erst im Dezember 2011 veröffentlichte die NASA den Fund des bisher erdähnlichsten Exoplaneten Kepler-22b. Auf die erste Begegnung mit den Keplerianern brauchen wir uns wohl trotzdem noch nicht vorzubereiten – uns trennen rund 600 Lichtjahre vom Kepler-22-Sternensystem. Eine mathematische Antwort auf die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass es in unserer Galaxie noch anderes intelligentes Leben gibt, hat bereits 1961 der amerikanische Astrophysiker Frank Drake vorgeschlagen. Seine „Drake-Gleichung“ berücksichtigt sieben Faktoren, unter anderem Sternentstehungsraten, die Anzahl der Exoplaneten oder Daten zur Atmosphäre. Leider sind zu den meisten Faktoren bestenfalls grobe Schätzwerte bekannt. Gute Erklärungen und einen Beispielrechner bietet die deutsche SETI („Search for Extraterrestrial Intelligence“)-Seite:
http://www.seti-germany.de/drake/gleichung.html
Unterrichtsvorschlag
Die Faktoren der Drake-Gleichung lassen viel Raum für Recherchen und Spekulation. Rechnen Sie doch einmal im Unterricht mit verschiedenen Werten die Drake-Gleichung nach und vergleichen Sie die Ergebnisse.

Dimensionen und Maßstäbe im All


Einmal nach Australien reisen: Nach irdischen Maßstäben ist die rund 13.500 km lange Reise bereits eine große Distanz. Würde man dieselbe Strecke senkrecht in Richtung Weltall zurücklegen, hätte man am Ende gerade erst die Exosphäre, die äußerste Schicht der Erdatmosphäre hinter sich gelassen. Allein der Mond ist in seiner erdnächsten Position rund 363.300 km von der Erde entfernt. Das entspricht in etwa dem 27-fachen der Entfernung von Deutschland nach Australien. Und auch das sind nur Katzensprünge in den Dimensionen unseres Sonnensystems. Die Venus, der uns am nächsten liegende Planet, ist in ihrer erdnächsten Stellung rund 40 Millionen km entfernt. Der Mars – unser zweiter Nachbarplanet – kommt nie näher als 56 Millionen km an die Erde heran.

Maßeinheiten: astronomisch und erdverbunden zugleich


Selbst die Distanzen innerhalb unseres Sonnensystems zeigen, dass unsere an der Erde orientierten Längenmaße zu klein sind für das All. Trotzdem zeigen die Einheiten, die Astronomen stattdessen verwenden, wie sehr wir der Erde verhaftet sind: Zum Beispiel werden Umfang und Masse von Planeten häufig in „Erdradien“ und „Erdmassen“ angegeben. Und eine „Astronomische Einheit“ (AE), ein wichtiges astronomisches Maß für Entfernungen, ist nichts anderes als der mittlere Abstand von der Erde zur Sonne: rund 149,6 Millionen km.
Unterrichtsvorschlag
Die astronomischen Maßeinheiten lassen sich gut in den Unterricht einbauen: Rechnen Sie doch einmal mit Ihren Schülern die Massen und Radien der Planeten unseres Sonnensystems in Erdmassen und Erdradien ... mehr
Die astronomischen Maßeinheiten lassen sich gut in den Unterricht einbauen: Rechnen Sie doch einmal mit Ihren Schülern die Massen und Radien der Planeten unseres Sonnensystems in Erdmassen und Erdradien um. Welcher ist der schwerste? Welcher hat die größte Dichte? Dabei sind vor allem Potenz- und Kreisberechnung gefragt. Hier die Daten aller Planeten unseres Sonnensystems:

Noch „astronomischer“ werden die Distanzen, wenn wir unser Sonnensystem verlassen und unsere gesamte Galaxie, die Milchstraße, und ihre unmittelbare Umgebung betrachten. Hier finden sich Längenangaben häufig in Lichtjahren (9,461 m) oder, vor allem in Wissenschaftskreisen, in Parsecs. Ein Parsec (pc) umfasst etwa 3,26 Lichtjahre. Die Andromedagalaxie, die unserer Milchstraße am nächsten liegt, ist rund 2,5 Millionen Lichtjahre bzw. knapp 800 Kiloparsecs (kpc) entfernt. Trotzdem kann man sie von einem dunklen Standort aus sogar mit bloßem Auge im Sternbild Andromeda erkennen.

Projektvorschlag: Damit sich Ihre Schüler die gigantischen Entfernungen im All besser vorstellen zu können, können Sie gemeinsam ein verkleinertes Modell unseres Sonnensystems bauen: Wäre die Erde so groß wie ein Tischtennisball, wie weit wäre dann die Sonne entfernt? Welchen Durchmesser hätte Jupiter? Vom Dreisatz über das Rechnen mit Potenzen bis hin zur Winkelrechnung lassen sich dabei viele mathematische Kompetenzen aus dem Bereich der Sekundarstufe 1 üben. Es kann allerdings sein, dass Sie vom Klassenzimmer bald in die Aula umziehen müssen – selbst in sehr kleinen Maßstäben braucht so ein Modell ziemlich viel Platz. weniger
Surftipp
Noch mehr Unterrichtsvorschläge- und Materialien zu Astronomiethemen bietet die Sternwarte Recklinghausen auf ihren Internetseiten zum kostenlosen Download an:
http://www.sternwarte-recklinghausen.de/astronomie.html
Unterrichtsvorschlag – Planetenbahnen
Motivierend und lehrreich zugleich ist für Schüler der direkte Blick zum Sternenhimmel. „Viele Schüler wissen gar nicht, dass man mit bloßem Auge beobachten kann, wie die Planeten durch die Sternbilder ziehen“...mehr
Motivierend und lehrreich zugleich ist für Schüler der direkte Blick zum Sternenhimmel. „Viele Schüler wissen gar nicht, dass man mit bloßem Auge beobachten kann, wie die Planeten durch die Sternbilder ziehen“, berichtet
Dr. Burkard Steinrücken von der Recklinghauser Sternwarte. Einfache Experimente im schulischen Rahmen können den Schülern sowohl einen Einblick in die Arbeit von Naturwissenschaftlern geben als auch spannende mathematische Herausforderungen stellen. „Schüler können zum Beispiel ein Messinstrument entwickeln, um die Abstände eines bestimmten
Planeten zum nächsten Stern zu messen. Nach einer Weile erkennen sie, wie sich die Bahn verändert. Dann
beginnt die Theoriebildung: Warum macht der Planet das? Gibt es eine geometrische Figur, mit deren Hilfe
ich diese Bahn beschreiben kann?“ Ab Klassenstufe 11 kann ein Planetbahn-Projekt in der Schule Beobachtung und Mathematik verknüpfen. Zum mathematischen Handwerkszeug gehört die Berechnung von Kegelschnitten. Die Kepler’schen Gesetze liefern die Grundlagen, um Ideen zur Bahnberechnung zu entwickeln.

Idee: Stellen Sie doch einmal mit Ihren Schülern den Lauf von Sonne, Mond und Sternen nach. Die „Sonne“ trägt eine Lampe in der Hand, „Mond“ und „Erde“ zwei unterschiedlich große Bälle. Wer steht in der Mitte? Wer dreht sich wie oft um welchen Schüler? Wie sieht eine Sonnen- oder Mondfinsternis aus? Wo steht der Mond bei Neumond? Das kleine Experiment zeigt meistens, wie viel es selbst über die vertrauten Himmelskörper Mond und Sonne noch zu erfahren gibt. weniger
Tipp – 2012 gibt es viel zu beobachten
Einen ganz besonderen Anlass zur Himmelsbeobachtung bietet in diesem Jahr ein außerordentlich seltenes Ereignis: Am 6. Juni steht ein so genannter Venus-Transit an. Maximal zweimal in jedem Jahrhundert ... mehr
Einen ganz besonderen Anlass zur Himmelsbeobachtung bietet in diesem Jahr ein außerordentlich seltenes Ereignis: Am 6. Juni steht ein so genannter Venus-Transit an. Maximal zweimal in jedem Jahrhundert kommt es
vor, dass die Venus direkt vor der Sonne vorbeizieht. Wer
den diesjährigen Transit verpasst, wird wahrscheinlich
keine zweite Chance erhalten: Der nächste Venus-Transit findet erst wieder 2117 statt. Leider lässt sich von Mittel-
europa nur ein Teil des Transits beobachten, denn wenn
am Morgen des 6. Juni die Sonne aufgeht, ist die Venus
bereits fast vollständig an ihr vorbeigezogen. In den
Wochen vor dem Transit ist die Venus allerdings gut am
Nachthimmel erkennbar – ein schöner Anlass, um die Bahn
des „Abendsterns“ mit den Schülern zu untersuchen.
Außerdem bieten in diesem Jahr die Planeten Merkur,
Jupiter und Mars viele Gelegenheiten für Beobachtungen,
sie sind jeweils mehrere Wochen lang besonders gut am
Himmel zu identifizieren. weniger

Dieses Lehrer Spezial können Sie als PDF für
Ihren Unterricht herunterladen. Unterrichtsunterlagen:
Astronomie (835 kB)