Themenspezial

Der Traum, wie ein Vogel zu fliegen, begleitet die Menschheit schon lange: In der griechischen Mythologie baute sich Ikarus eigene Flügel aus Vogelfedern. Er stürzte jedoch ab, als er der Sonne zu nah kam und das Wachs schmolz, das die Vogelfedern seiner Flügel zusammenhielt. In der Renaissance versuchte sich Leonardo da Vinci erfolglos im Flugzeugbau.

Ein Durchbruch gelang erst 1891 Otto Lilienthal. Für die Entwicklung seiner Flugapparate hatte er den Gleitflug von Vögeln genau beobachtet. Nur zwölf Jahre nach dem ersten Gleitflug steuerten die Brüder Wright bereits ein motorgetriebenes Flugzeug. Heute sind Flugreisen alltäglich: 2009 flogen 95,3 Mio. Passagiere von deutschen Flughäfen ab.

Fliegen wie ein Vogel, Schweben wie ein Heißluftballon oder per Rückstoß wie eine Rakete durch den Weltraum schießen: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich in der Luft zu bewegen. Hinter jeder stehen andere physikalische und mathematische Prinzipien. Für einen anschaulichen Mathematikunterricht lassen sich daher beim Thema Fliegen viele Beispiele finden.

Fliegen wie ein Vogel

Ein Vogel erhält Auftrieb durch die Form seiner Flügel. Er bewegt sich nach vorn (Vortrieb), indem er die Flügel mit einer Drehbewegung an den unteren Enden auf und ab bewegt. Im Gleitflug nutzt er sein Eigengewicht als Schub und spart so Energie. Segelflugzeuge und Gleitflieger nutzen dazu Aufwinde, die zum Beispiel an Berghängen oder durch Wärmeunterschiede in der Luft entstehen.


Aerodynamische Prinzip

Das aerodynamische Prinzip

Flugzeuge nutzen das gleiche aerodynamische Prinzip wie Vögel. Das Geheimnis liegt in der besonderen Bauweise der Tragflächen: Ihre Oberseite ist gewölbt und die hintere Kante sehr scharf. Außerdem steht der Flügel leicht schräg, seine vordere Kante ist etwas höher als die hintere. Durch diese Eigenschaften entsteht beim Start eines Flugzeugs der so genannte Anfahrwirbel an der hinteren Flügelkante. Gleichzeitig entwickelt sich eine kreisförmige Luftströmung um den gesamten Flügel herum, in entgegengesetzter Richtung zum Anfahrwirbel. Dadurch wird die Luft über dem Flügel beschleunigt, darunter jedoch strömt sie langsamer. In der Folge wird der Druck über dem Flügel geringer als darunter. Dadurch entsteht Auftrieb, und das Flugzeug hebt ab.

Bernoulli-Effekt

Druckunterschied durch Bernoulli-Effekt

Dass durch den schnelleren Luftstrom der Druck über dem Flügel sinkt, war den Menschen lange Zeit nicht klar. Erst im 18. Jahrhundert entdeckte der Schweizer Mathematiker und Physiker Daniel Bernoulli, dass strömende Flüssigkeiten und Gase einen geringeren Druck ausüben als ruhende. Je höher also die Geschwindigkeit, desto kleiner der Druck.

Das Phänomen heißt nach ihm - Bernoulli-Effekt. Flügel von Vögeln und Tragflächen von Flugzeugen sind so geformt, dass die Luft auf ihrer Oberseite schneller fließt als auf ihrer Unterseite. Der Anfahrwirbel beim Flugzeug allerdings bleibt auf der Startbahn zurück und löst sich dort langsam auf. Deshalb muss zwischen zwei Starts immer eine kleine Pause liegen.


„Die Flügel sind ein echtes Kunstwerk“, berichtet Christian Eickhoff, Projektleiter bei Lufthansa Technik. „Damit ein Flugzeug bei 250 km/h abheben kann und zugleich bei 800 km/h wirtschaftlich fliegt, gibt es Vorflügel, slats, und Landeklappen, die flaps. Sie können ein- und ausgefahren werden und sorgen so bei verschiedenen Geschwindigkeiten immer für den besten Auftrieb.“

Technik und Finanzen: Rechenstoff für Flugprofis

Die Technik, aber auch die wirtschaftlichen Faktoren müssen stimmen, ehe ein Flugzeug startklar ist. „Die ersten Fragen lauten: Wie viele Personen möchte ich transportieren? Welche Distanzen soll das Flugzeug zurücklegen?“, erklärt Eickhoff. Damit sich die Investition lohnt, müssen etwa Passagierzahlen, Kerosinbedarf und Wartungskosten genau berechnet werden.

Auch technisch steckt ein Flugzeug voller Berechnungen. Vom Stromkreislauf über die Kabelisolierung bis hin zum Gewicht der Speisen für Passagiere bleibt kein Wert dem Zufall überlassen. Trotzdem reicht Rechnen allein nicht aus. Ausführliche Tests stellen sicher, dass das Flugzeug den extremen Anforderungen standhält.

Orientierung im Raum als Unterrichtsthema

Orientierung im Raum ist nicht nur für Piloten wichtig, sondern lässt sich auch als spannendes Unterrichtsthema nutzen: Wie steil muss das Flugzeug steigen, um genügend Abstand zu den hohen Gebäuden in der Umgebung zu haben? Kollidiert es mit dem entgegenkommenden Flugzeug, wenn es seine Flugbahn beibehält? Wie hoch befindet sich das Flugzeug nach zehn Minuten? Flugzeug-Szenarien bieten anschauliche Beispiele für Berechnungen von Vektoren und Winkeln. Tipp: Mit einem Grafikrechner lassen sich Flughöhen und Punkte auf Flugbahnen anschaulich darstellen. Das ist eine gute Möglichkeit, um sich den Lösungen auch einmal durch eigenes Ausprobieren zu nähern.
Kong Ming Laterne

Schweben durch Dichte-Unterschied

Kleine Heißluftlaternen mit Kerzenbetrieb, so genannte Kong-Ming-Laternen, erleuchteten bereits vor etwa 2.000 Jahren den Himmel Chinas. Menschen ließen sich allerdings mit den kleinen Laternen nicht transportieren. Erst 1783, rund hundert Jahre vor Lilienthals Gleitflugversuchen, bauten die Brüder Joseph und Jacques Mongolfier in Frankreich den ersten großen Heißluftballon. Ein Heißluftballon schwebt, weil die erhitzte Luft im Inneren leichter ist als die Luft, die ihn umgibt. Dadurch entsteht ein Auftrieb. Wenn die Auftriebskraft höher ist als die Gewichtskraft, hebt der Ballon ab. Auch Zeppeline nutzen diesen Effekt. Er ist nach seinem Entdecker als „Archimedisches Prinzip“ bekannt. Im Mathematikunterricht laden Ballonfahrten zu unterschiedlichsten Berechnungen ein. Zum Beispiel können Schüler die Beschleunigung eines Ballons in Abhängigkeit von seiner Masse, seinem Volumen, der Außen- und Innentemperatur berechnen. Und mit Hilfe numerischer Integration lassen sich Näherungskurven zu Steiggeschwindigkeiten und Höhengewinnen erstellen, anschaulich darstellbar zum Beispiel mit einer dynamischen Geometriesoftware.

Per Rückstoß durch den luftleeren Raum

Ob Flugzeug oder Ballon: Ohne Luft hebt auf der Erde niemand ab. Wie aber beschleunigen Raketen außerhalb der Atmosphäre? Ganz einfach: Sie nutzen das Rückstoßprinzip. Der Antrieb der Rakete schießt so genannte „Stützmasse“ nach hinten aus. Automatisch wird die Rakete mit der gleichen Kraft nach vorn beschleunigt. Das klappt auch im Vakuum. Ein Flugzeug dagegen würde im Vakuum sofort herunterfallen. Die Erklärung für den Rückstoß liefert das dritte Newtonsche Gesetz, das auch Wechselwirkungsprinzip genannt wird: „Kräfte treten immer paarweise auf. Wirkt ein Körper A auf einen Körper B mit der Kraft F, so wirkt der Körper B auf den Körper A mit einer gleich großen Kraft. Die Richtungen der beiden Kräfte sind jedoch entgegengesetzt.“ Auch die Natur macht sich das Rückstoßprinzip zunutze. Zum Beispiel bewegen sich Quallen und Tintenfische auf diese Weise fort. Sie nehmen Wasser in ihre körpereigenen Hohlräume auf und stoßen es dann entgegen ihrer Bewegungsrichtung wieder aus. Raketenflüge geben Anlass zu interessanten Rechenaufgaben. Die Schüler können zum Beispiel Kreisbahnen, Schub, Beschleunigungs- und Umlaufzeiten berechnen.